Bangladesch: Extreme Hepatitis-C-Raten in Rohingya-Bevölkerung

Nach Ergebnissen einer Studie von Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) hat jeder fünfte Mensch in den Rohingya-Geflüchtetencamps im Südosten von Bangladesch eine akute Hepatitis-C-Infektion. Fast ein Drittel der Erwachsenen in den Camps waren irgendwann in ihrem Leben einer Hepatitis-C-Infektion ausgesetzt.

Die Daten der Studie von Epicentre, der epidemiologischen Forschungseinrichtung von Ärzte ohne Grenzen, basieren auf einer Untersuchung von 680 Haushalten zwischen Mai und Juni 2023 in sieben Camps von Cox’s Bazar. Zusammen mit den weiteren Camps von Cox’s Bazar bilden sie das weltweit grösste und am dichtesten besiedelte Camp für Geflüchtete.

​Hepatitis C ist eine Viruserkrankung, die über das Blut übertragen wird. Sie kann lange inaktiv bleiben, birgt aber grosse Risiken. Bleibt sie unbehandelt, kann sie zu Leberversagen oder Leberkrebs führen. Sie erhöht ausserdem das Risiko für andere Krankheitsbilder, darunter Diabetes, Depression und extreme Erschöpfung. Die Krankheit ist mit antiviralen Medikamenten gut zu behandeln, aber es fehlt in den Camps an Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten.

„Als eine der am stärksten verfolgten ethnischen Minderheiten der Welt zahlen die Rohingya den Preis für den jahrzehntelang fehlenden Zugang zu medizinischer Versorgung in ihrem Herkunftsland. Dass Hepatitis C in den überfüllten Camps so stark verbreitet ist, liegt vermutlich auch daran, dass häufig auf alternative medizinische Praktiken zurückgegriffen wird, bei denen nicht desinfizierte Instrumente wie Spritzen zum Einsatz kommen”, erklärt Sophie Baylac, Landeskoordinatorin von Ärzte ohne Grenzen in Bangladesch. 

​Wenn man die Ergebnisse der Untersuchung für alle Camps hochrechnet, ist davon auszugehen, dass etwa 86'000 Erwachsene mit einer Hepatitis-C-Infektion leben und eine Behandlung benötigen. Ärzte ohne Grenzen ist die einzige Organisation, die Hepatitis C in den Camps behandelt. Der Bedarf übersteigt bei weitem die Kapazitäten. Aber weil es den Geflüchteten nicht erlaubt ist, zu arbeiten oder das Camp zu verlassen, sind teure Tests oder eine Behandlung ausserhalb des Camps für sie keine Option.   

​„Weil die meisten Betroffenen nicht geheilt werden können, greifen sie auf alternative Behandlungsmethoden zurück, die nicht wirksam sind und sogar Risiken bergen”, sagt Sophie Baylac.  

​„Wir begrüssen die gemeinsame Ankündigung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der Internationalen Organisation für Migration (IOM) und von Save The Children, dass 900 Hepatitis-C-Betroffene in zwei Gesundheitseinrichtungen des Camps eine Behandlung erhalten sollen. Es braucht allerdings eine gross angelegte Kampagne, damit der weiteren Übertragung, weiteren schweren Leberschäden und Todesfällen vorgebeugt werden kann. Dafür ist die Entschlossenheit derer gefragt, die die humanitäre Hilfe in den Camps koordinieren.” 

​Ärzte ohne Grenzen steht für eine solche Kampagne in Zusammenarbeit mit den nationalen Behörden, zwischenstaatlichen und nichtstaatlichen Organisationen vor Ort bereit. Eine Behandlung von Hepatitis C ist schnell und einfach und auch kostengünstig möglich – mit einer Tablette pro Tag über drei Monate. 

​Seit Oktober 2020 bietet Ärzte ohne Grenzen in Cox's Bazar kostenlose Hepatitis-C-Untersuchungen und Behandlungen an. Zwischen Oktober 2020 und Mai 2024 testete die Organisation über 12'000 Menschen mit Verdacht auf eine aktive Hepatitis-C-Infektion mit dem GeneXpert-Diagnosegerät. Über 8.000 Patient:innen mit bestätigter aktiver Infektion wurden anschließend behandelt. Das Programm von Ärzte ohne Grenzen hat eine maximale Kapazität von 150 bis 200 neuen behandlungsbedürftigen Patient:innen pro Monat.

​Ärzte ohne Grenzen setzt sich mit der Kampagne „Time for $5“ und einer Petition dafür ein, dass der Hersteller des GeneXpert-Tests Cepheid und sein Mutterkonzern Danaher den Preis der GeneXpert-Tests senken. Die Tests werden derzeit in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen für 15 US-Dollar pro Stück verkauft. Das ist mehr als das Dreifache dessen, was sie kosten müssten, um die Herstellungskosten zu decken und profitabel zu sein, wie eine von Ärzte ohne Grenzen in Auftrag gegebenen Studie schätzt.

Lukas Nef Head of Public Engagement, Médecins Sans Frontières (MSF)

 

Über Médecins Sans Frontières/Ärzte ohne Grenzen (MSF)

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1999 erhielt MSF den Friedensnobelpreis.

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