Bangladesch: Sofortige Hilfe nötig, um Katastrophe abzuwenden

Bangladesch: Sofortige Hilfe nötig, um Katastrophe abzuwenden

Nach der Ankunft Hunderttausender aus Myanmar geflüchteter Rohingya droht in Bangladesch die Eskalation einer massiven Gesundheitskrise. MSF fordert, dass die humanitäre Hilfe sofort aufgestockt wird.

Nach einer Welle gezielter Gewalt gegen die Volksgruppe der Rohingya in Myanmar sind innerhalb von drei Wochen mehr als 422’000 Menschen aus dem Bundesstaat Rakhine nach Bangladesch geflüchtet. Der Grossteil von ihnen wohnt in provisorischen Lagern ohne angemessenen Zugang zu Unterkünften, Nahrung, sauberem Wasser oder sanitären Anlagen. Zwei der bestehenden Lager in Kutupalong und Balukhali sind zu einem dichtbesiedelten Riesenlager verschmolzen – mit nahezu 500'000 Bewohnern ist es eines der grössten weltweit.

Flüchtlingslager wie Slums

«Diese Lager sind eigentlich Slums, die neben der einzigen zweispurigen Strasse in der Gegend notdürftig aufgebaut wurden», sagt Kate White, medizinische Notfallkoordinatorin von Médecins Sans Frontières/Ärzte ohne Grenzen (MSF). «Es gibt keine Strassen, die in das Lager oder aus dem Lager führen, was die Lieferung von Hilfsgütern sehr erschwert. Das Gelände ist hügelig und anfällig für Erdrutsche, und es gibt überhaupt keine Latrinen. Wenn man durch das Lager läuft, muss man durch Ströme von dreckigem Wasser und Fäkalien waten.»

Wegen des Trinkwassermangels holen die Menschen ihr Wasser aus überfluteten Feldern und Pfützen, die häufig mit Exkrementen verschmutzt sind. In der medizinischen Einrichtung von MSF in Kutupalong wurden zwischen dem 6. und 17. September 487 Patientinnen und Patienten wegen Durchfallerkrankungen behandelt. «Jeden Tag kommen Erwachsene bei uns an, die völlig dehydriert und dem Tode nahe sind», sagt White. «Bei Erwachsenen ist das eigentlich sehr selten. Es ist ein klares Anzeichen für eine bevorstehende massive Gesundheitskrise.»

Unzureichende Lebensmittelhilfe

Auch die Versorgungslage mit Nahrungsmitteln ist äusserst mangelhaft. Neuankommende Flüchtlinge sind komplett auf humanitäre Hilfe angewiesen. Auf den Märkten explodieren die Preise und der Mangel an Strassen erschwert den Zugang zu den hilfsbedürftigsten Teilen. «Weil sie kaum Geld haben und die Verteilung von Lebensmitteln chaotisch und unzureichend ist, bekommen viele an einem Tag bloss ein wenig Reis zu essen», erklärt White. «Von einer geflüchteten sechsköpfigen Familie erfuhren wir, dass das einzige, was sie seit Tagen gegessen hatten, eine Schüssel Reis war, die sie von einem Restaurantbesitzer aus Bangladesch bekamen und sich teilen mussten.»

Leichtes Spiel für Infektionskrankheiten

Die medizinischen Einrichtungen sind völlig überlastet. Angesichts der enormen und raschen Zunahme der Bevölkerung, sowie der bekannten niedrigen Impfabdeckung unter der Bevölkerung der Rohingya, besteht ein sehr hohes Risiko für den Ausbruch von Infektionskrankheiten. Umfassende Impfkampagnen gegen Masern und Cholera müssen sofort gestartet werden. MSF hat in Kutapalong eine Isolationseinheit für mögliche Cholera- oder Masernverdachtsfälle eingerichtet.

Von der Krise zur Katastrophe

«Die Situation in den Lagern ist unglaublich fragil, es fehlt den Menschen hier an allem. Nur eine kleine Veränderung könnte das Fass zum Überlaufen bringen», sagt Robert Onus, MSF-Nothilfekoordinator. «Es besteht ein akuter Bedarf an Unterkünften, Lebensmitteln, Trinkwasser und sanitären Einrichtungen. Wenn die humanitäre Hilfe nicht sofort und umfassend aufgestockt wird, könnte diese Krise in einer Katastrophe enden.»

Bildnachweise: Antonio Faccilongo

Kontakt
Anaïs Ludolph Media Coordinator, Médecins Sans Frontières/Ärzte ohne Grenzen (MSF)
Etienne Lhermitte Media Officer, Médecins Sans Frontières/Ärzte ohne Grenzen (MSF)
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MSF ist eine unabhängige medizinische Hilfsorganisation. MSF hilft Menschen in Not, Opfern von Naturkatastrophen sowie von bewaffneten Konflikten - ungeachtet ihrer ethnischen Herkunft, religiösen oder politischen Überzeugung oder ihres Geschlechts.


1999 erhielt MSF den Friedensnobelpreis.

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