Covid-19 in Brasilien: Im Amazonasgebiet spitzt sich die Lage dramatisch zu

Covid-19 in Brasilien: Im Amazonasgebiet spitzt sich die Lage dramatisch zu

Die Patientenzahlen steigen stark und das Gesundheitssystem ist zusammengebrochen

Im brasilianischen Amazonasgebiet verschlimmert sich die Versorgungslage von Covid-19-Patient*innen täglich. In Manaus, der Hauptstadt des Bundessstaates Amazonas, sind alle Intensivbetten belegt und sehr viele schwer Erkrankte warten dringend auf eine Behandlung. Die örtlichen Behörden registrierten im Januar mit 2.522 Todesfällen im Zusammenhang mit Covid-19 fünf Mal mehr Tote als noch im Dezember, als 460 Menschen an oder mit Covid-19 starben. In weiter flussaufwärts gelegenen Städten ist die Lage ähnlich. Schwer erkrankte Patient*innen können von dort oft erst sehr spät oder gar nicht in das grössere städtische Spital in Manaus verlegt werden, da die dortigen Kapazitäten völlig überlastet sind.

„Unser Plan A war, die Zahl der Patient*innen mit lebensbedrohlichen Krankheitsverläufen zu begrenzen, indem wir die frühe Versorgung von mittelschwer und schwer Erkrankten drastisch herauffahren“, sagt Pierre Van Heddegem, Notfallkoordinator von Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) in Brasilien. „Nun sind wir komplett zu Plan B übergegangen und konzentrieren uns auf die intensivmedizinische Behandlung von lebensbedrohlich erkrankten Covid-19-Patient*innen. Und dies in Einrichtungen, die keine Intensivstationen haben, und jeden Tag in der Sorge, dass uns der Sauerstoff ausgeht. Diese zweite Covid-19-Welle überfordert alles und jeden, und wir versuchen jeden Tag, Schritt zu halten. Unsere grosse Sorge ist, dass wir das nicht mehr lange durchhalten werden.“

Die MSF-Teams unterstützen die überlasteten Spitalbelegschaften in der Hauptstadt Manaus sowie den Städten Tefe und São Gabriel da Cachoeira. Dort leisten oder unterstützen sie die Behandlung von lebensbedrohlich erkrankten Covid-19-Patient*innen in knapp 100 Betten. Demnächst werden Teams in Manaus zudem Aktivitäten zur Gesundheitsaufklärung starten, Hygiene- und Abstandsprotokolle umsetzen und Schnelltests einsetzen. Die Organisation fordert die örtlichen Behörden dazu auf, den Einsatz von Antigen-Schnelltests auszuweiten, die anzeigen, ob Personen aktuell infektiös sind.

Besonders dramatisch ist die Lage in der Stadt Tefe, flussaufwärts von Manaus gelegen. Das MSF-Team hat das dortige Spitalpersonal dabei unterstützt, sämtliche Klinikstationen in andere Gebäude wie etwa eine Schule auszulagern, um im gesamten Spitalgebäude Covid-19-Patient*innen behandeln zu können. Unter normalen Bedingungen würden alle lebensbedrohlich Erkrankten per Flugzeug zur Behandlung nach Manaus transportiert. Aber da dort praktisch alle Covid-19-Stationen belegt sind, müssen sie nun vor Ort behandelt werden. Das Spital in Tefe hat die Kapazitäten bereits von 27 auf 67 Covid-Betten vervielfacht. Dennoch ist es kaum zu schaffen, so viele schwer Erkrankte zu versorgen. Auch die Versorgung mit Sauerstoff ist ein ständiges Problem. „Wir sind in Tefe jeden Tag am Limit“, sagt Van Heddegem. „Es gab Tage, an denen wir nahe an einer Katastrophensituation waren.“

In Manaus unterstützen MSF-Teams das José Rodrigues-Notfallzentrum (UPA), in dem Covid-Patent*innen umfassend versorgt werden, obwohl es nicht darauf ausgerichtet ist. „Das UPA war völlig überlastet“, sagt Fabio Biolchini Duarte, Koordinator des Einsatzes von MSF in Manaus. „Es gab nicht genug Ärztinnen, Ärzte und Pflegepersonal und keine intensivmedizinischen Protokolle. Als wir zum ersten Mal dort waren, hatte das Notfallzentrum 18 Betten, aber 45 Patient*innen. Es war komplett zu einer Covid-19-Krankenstation geworden. Es zählt zu den Einrichtungen, in denen mehrere Patient*innen starben, weil sie nicht mit Sauerstoff versorgt werden konnten.“

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller Gesundheitseinrichtungen in Manaus sind emotional immer stärker belastet, weil sie täglich mit vielen Todesfällen zu tun haben. Ein psychologisches Team von MSF bietet seit Kurzem psychosoziale Unterstützung für medizinisches und nicht-medizinisches Personal der Spitäler und Gesundheitszentren in Manaus an.

 

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Melina Stavrinos Team Media/Events, Médecins Sans Frontières
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