Entwurf eines WTO-Beschlusses ist weit von einer echten TRIPS-Ausnahmeregelung entfernt

In Genf findet diese Woche die Minister:innenkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) statt. Ein am Wochenende veröffentlichter Entwurf eines Beschlussdokuments könnte einen negativen Präzedenzfall schaffen. Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) fordert deshalb eine Rückkehr zum ursprünglichen Modell des Trips-Waivers. Dieses Modell würde für Länder des Globalen Südens die Rechtssicherheit schaffen, eigene Produktionen von Covid-19-Technologien auf – oder auszubauen.

Vor mehr als 20 Monaten haben Indien und Südafrika bei der WTO erstmals eine Ausnahmeregelung zum Schutz des geistigen Eigentums (TRIPS) für Covid-Arzneimittel vorgeschlagen. Am Wochenende wurde nun ein vorläufiger Entwurf eines Beschlussdokuments veröffentlicht. Dieser Entwurf ist weit entfernt vom ursprünglichen Modell des Trips-Waivers. Vielmehr könnte der Entwurf einen negativen Präzendezfall für die Bemühungen um einen besseren Zugang zu Medikamenten, Impfstoffen und Diagnostika schaffen.

MSF fordert die beteiligten Regierungen auf, diesen Entwurf abzulehnen und stattdessen die Gelegenheit zu nutzen, sich auf das ursprüngliche Modell des Trips-Waivers zu einigen. Der Trips-Waiver würde einen wirksamen Beitrag zur Verbesserung des Zugangs aller Menschen zu Covid-19-Arzneimitteln leisten.

Hierzu erklärt Candice Sehoma, Rechts- und Politikexpertin der Medikamentenkampagne von MSF für Südafrika:

"Wir sind sehr enttäuscht darüber, dass die Verhandlungen auch nach 20 Monate dauernden Beratungen und mehr als 15 Millionen Todesfällen durch Covid-19 immer noch weit davon entfernt sind, den Zugang zu lebensrettenden Covid-19-Medizinprodukten für alle und überall zu gewährleisten. Der Entwurf des Entscheidungstextes basiert auf einem problematischen Textentwurf von Anfang Mai und unterscheidet sich inhaltlich von dem echten Waiver-Vorschlag, den wir unterstützt haben.

Die WTO wird diese Woche in jedem Fall einen Präzedenzfall schaffen, der sich auf die Bemühungen auswirken wird, den Zugang zu lebensrettenden medizinischen Hilfsmitteln jetzt und in Zukunft zu verbessern. Es ist noch nicht zu spät, sich in den nächsten Tagen auf eine echte Ausnahmeregelung zu einigen. Die Regierungen müssen sich unbedingt gegen die Aufnahme problematischer Bestimmungen zur Wehr setzen und ein Abkommen anstreben, das die Rechte des geistigen Eigentums und die restriktive Lizenzvergabe durch Pharmakonzerne während einer globalen Pandemie temporär überwinden kann.

Der Zugang zu wichtigen Covid-19-Behandlungen und -Tests ist in vielen Ländern des Globalen Südens nach wie vor schwierig. Dies ist zum Teil auf die Barrieren durch geistige Eigentumsrechte und die restriktive Lizenzvergabe von Pharmaunternehmen zurückzuführen. Der ursprüngliche Trips-Waiver würde dazu beitragen, diese Hindernisse zu überwinden und die Länder bei der Bereitstellung lebensrettender medizinischer Produkte für ihre Bevölkerung unabhängiger zu machen.

Wenn sich die Regierungen nicht auf einen Ausgangstext einigen, der alle wesentlichen medizinischen Hilfsmittel, alle Länder und alle wichtigen Fragen des geistigen Eigentums einschliesst, dann wird nicht sichergestellt, dass die Menschen während dieser Pandemie Zugang zu lebensrettenden Medikamenten, Impfstoffen und diagnostischen Tests haben. Dadurch wird ein tödlicher Präzedenzfall für zukünftige globale Gesundheitskrisen geschaffen."

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Lukas Nef Medienverantwortlicher, Médecins Sans Frontières/Ärzte ohne Grenzen (MSF)
Lukas Nef Medienverantwortlicher, Médecins Sans Frontières/Ärzte ohne Grenzen (MSF)
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