Eskalation der Gesundheitskrise in Haiti: Ärzte ohne Grenzen eröffnet Spital für Schwerverletzte

Eskalation der Gesundheitskrise in Haiti: Ärzte ohne Grenzen eröffnet Spital für Schwerverletzte

Mit einem Spital für Menschen mit lebensbedrohlichen Verletzungen in der Hauptstadt Port-au-Prince reagiert die medizinische Nothilfeorganisation auf die sich verschärfende Gesundheitskrise.

Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) hat in Port-au-Prince, Haiti, ein neues Notfallspital eröffnet. Anlass ist die sich verschärfende politische und wirtschaftliche Krise im Land, die sämtliche Bereiche der medizinischen Versorgung behindert.

Das Spital wurde am 27. November im Stadtteil Tabarre in Port-au-Prince eröffnet. Es ist auf die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit lebensbedrohlichen Verletzungen, einschliesslich offener Frakturen und Schusswunden, spezialisiert. In den ersten fünf Tagen wurden 21 Menschen aufgenommen. Etwa die Hälfte davon waren Gewaltopfer.

„Die Eröffnung des Spitals war ein dringend notwendiger Schritt. Aber das alleine wird nicht ausreichen“, sagt Jane Coyne, Einsatzleiterin von MSF in Haiti. „Das Land befindet sich in einer schweren wirtschaftlichen und politischen Krise. Die Krankenhäuser kämpfen gegen die drohende Schliessung."

Schon 2012 eröffnete MSF ein Spital im Bezirk Tabarre. In den Jahren nach dem Erdbeben von Haiti ging es um Notfallhilfe für Schwerverletze. Das Spital mit dem Namen „Nap Kenbe“ hat sein medizinisches Angebot in den vergangenen Jahren schrittweise reduziert. Ende 2018 wurde der letzte Patient aufgenommen.

Doch seit September 2019 hat sich die Krise in Haiti verschärft. MSF eröffnete daher ein neues Spital zur Versorgung von Menschen mit lebensgefährlichen Verletzungen, mit deren Behandlung das haitianische Gesundheitssystem nicht zurechtkommt. Das neue Spital von MSF steht an derselben Stelle in Tabarre. Derzeit sind dort 170 medizinische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, darunter acht Chirurginnen und Chirurgen. Bei der Eröffnung hatte das Spital 25 Betten. Nun laufen Vorbereitungen, um die Kapazität auf 50 Betten zu erhöhen.

Die zunehmenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten und politischen Spannungen erschweren es medizinischen Einrichtungen, auf die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten einzugehen. Das gilt auch für die Einrichtungen von MSF. Seit September gibt es regelmässig Strassenblockaden aus brennenden Reifen, Kabeln und sogar über Nacht errichteten Mauern. Das erschwert die Durchfahrt von Krankenwagen, ebenso die Versorgung medizinischer Einrichtungen mit Treibstoff, Sauerstoff, Blut, Medikamenten und sonstigem medizinischem Bedarfsmaterial.

Die aktuelle Krise zeigt, wie wichtig die medizinischen Einrichtungen von MSF sind.

Im Bezirk Martissant wurden allein dieses Jahr in einem von MSF betriebenen Zentrum pro Monat im Schnitt 230 Patientinnen und Patienten mit Schussverletzungen, Schnittwunden oder anderen durch Gewalt verursachte Verletzungen aufgenommen. Ein Spital von MSF im Bezirk Drouillard verzeichnete im September einen Höchststand. Damals wurden insgesamt 141 Patientinnen und Patienten mit schweren Verbrennungen, verursacht vor allem durch Unfälle, aufgenommen.

Auch das Gesundheitspersonal ist von der allgemeinen Unsicherheit betroffen. In den letzten Monaten war der Rettungsdienst wiederholt in Unfälle verwickelt und konnte daher auf medizinische Notfälle nur eingeschränkt reagieren.

MSF musste in den vergangenen Monaten hunderte Mitarbeitende täglich mit Fahrzeugen zur Arbeit fahren. Nur so konnte der Betrieb der Gesundheitseinrichtungen aufrechterhalten werden.

„Dank des guten Rufs von MSF in Haiti werden unsere Fahrzeuge allgemein respektiert und können die Barrikaden passieren“, sagt Ella Lambe, Projektkoordinatorin von MSF in der Stadt Port-à-Piment. „Allerdings wurden einige Gesundheitszentren geplündert, in die wir unsere Patientinnen und Patienten überwiesen hatten. Einige unserer Fahrzeuge wurden von Steinen getroffen."

In ländlichen Gebieten im Westen Haitis, wie Port-à-Piment, sind die grossen Probleme des haitianischen Gesundheitssystems sehr deutlich zu erkennen. Ein lokales Gesundheitszentrum, in dem MSF seit langem Nothilfe und Mutter-Kind-Versorgung anbietet, hat Schwierigkeiten, Patientinnen und Patienten an Spitäler mit einer umfangreicheren Versorgung zu überweisen.

„Zuvor konnten wir Patientinnen für Kaiserschnitte oder dringende Behandlungen binnen einer Stunde in eine andere medizinische Einrichtung überweisen“, sagt Lambe. „Jetzt dauert es drei bis fünf Stunden, um sie in ein Spital zu bringen, wo sie behandelt werden können.“

MSF unterstützt auch mehrere öffentliche Spitäler auf verschiedene Weise und arbeitet dabei mit dem haitianischen Gesundheitsministerium zusammen. Unter anderem hat die Organisation Teile der Notaufnahme im staatlichen Universitätsspital saniert, Gesundheitspersonal geschult sowie Medikamente und wichtige medizinische Ausrüstung wie Geräte zur Sauerstoffversorgung zur Verfügung gestellt.

MSF leistet seit 1991 in Haiti medizinische Hilfe in Notsituationen, die etwa durch Naturkatastrophen und andere Krisen verursacht wurden. Am Tag nach dem verheerenden Erdbeben am 12. Januar 2010 startete die Organisation den grössten Hilfseinsatz ihrer Geschichte. Heute leisten die Teams medizinische Hilfe in Port-au-Prince und im Südwesten Haitis und füllen damit entscheidende Lücken im Gesundheitssystem des Landes und stärken die lokale Gesundheitsversorgung.

 

Copyright Foto: MSF/Caroline Frechard

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Thuy Chau Team Media/ Events, Médecins Sans Frontières/Ärzte ohne Grenzen (MSF)
Lukas Nef Communications Officer, Médecins Sans Frontières/Ärzte ohne Grenzen (MSF)
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