Gaza: Ärzte ohne Grenzen eröffnet provisorisches Spital nach Evakuierungsanordnung
Nach einer Evakuierungsanordnung in unmittelbarer Nähe des Al-Aksa-Spitals durch die israelischen Streitkräfte und einer Explosion in 250 Meter Entfernung haben rund 650 Patient:innen aus Angst um ihr Leben das Spital verlassen. Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) hat deshalb vorzeitig ein provisorisches Spital in wenigen Kilometern Entfernung eröffnet.
Die Mitarbeitenden von Ärzte ohne Grenzen haben in dem provisorischen Spital trotz des Mangels an medizinischen Gütern mit der Versorgung von Patient:innen begonnen.
Da die verbliebenen Spitäler im Gazastreifen dem immensen Bedarf an medizinischer Hilfe kaum noch gerecht werden können, ist der Druck auf das provisorische Spital bereits enorm.
„Die massive Zerstörung der Gesundheitsinfrastruktur durch die israelischen Streitkräfte hat eine kumulative Wirkung. Jede nicht funktionsfähige Gesundheitseinrichtung erhöht den Druck auf die verbleibenden Einrichtungen und verringert den Zugang der Menschen zur Gesundheitsversorgung. Ohne einen sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand bleibt der Wunsch nach einer echten humanitären medizinischen Hilfe eine Illusion“, sagt Juliette Seguin, Einsatzleiterin von Ärzte ohne Grenzen.
Vor der Evakuierungsanordnung für die Gegend nahe des Al-Aksa-Spitals wurden am 24. August dort etwa 650 Patient:innen behandelt, Hunderte weitere suchten Zuflucht auf dem Spitalgelände. Heute ist das Al-Aksa-Spital kaum wiederzuerkennen.
„Das Spital sieht leer aus. Vor der Evakuierungsanordnung und den Explosionen war das Spital so überfüllt, dass die Patient:innen manchmal auf dem Boden behandelt werden mussten. Sie waren überall, oft standen sie vor dem Spital Schlange und suchten verzweifelt nach Behandlung“, sagt Sohaib Safi, stellvertretender medizinischer Koordinator von Ärzte ohne Grenzen in Gaza. „Die Atmosphäre ist aufgrund der drohenden Gefahr von Angst geprägt.”
Teams von Ärzte ohne Grenzen hatten bereits seit Monaten an der Einrichtung des provisorischen Spitals gearbeitet und die Eröffnung immer wieder verschoben, da es Probleme gab, wichtige Güter in den Gazastreifen zu bringen. Da die Bedrohung des Al-Aksa-Spitals jedoch zunimmt, blieb den Mitarbeitenden der Organisation keine andere Wahl, als das wenige Kilometer westlich gelegene provisorische Spital vorzeitig zu eröffnen.
Ärzte ohne Grenzen fordert alle Kriegsparteien auf, die letzten verbliebenen Spitäler in Gaza zu respektieren und zu schützen.
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind 20 von 36 Spitälern im Gazastreifen nicht funktionsfähig, und Strukturen wie provisorische Spitäler verfügen nicht über die Kapazitäten für eine adäquate chirurgische Versorgung und viele andere lebensrettende Massnahmen zur Behandlung von Patient:innen in kritischem Zustand oder mit langfristigen Erkrankungen.
Lukas Nef