Gaza: Nasser-Spital am Rande der Funktionsfähigkeit

Anhaltende Bewegungseinschränkungen und Evakuierungsanordnungen bringen das Nasser-Spital im südlichen Gazastreifen an die Grenze der Funktionsfähigkeit. Die medizinische Einrichtung ist die einzige Lebensader für die Zivilbevölkerung in der Region, warnt Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF). Es ist essenziell, dass die Funktionsfähigkeit wieder vollständig hergestellt und erhalten bleibt, fordert die Organisation.

Die israelischen Streitkräfte haben in dem Krieg immer wieder die medizinische Versorgung verhindert – einerseits durch Anordnungen, keine neuen Patient:innen mehr aufzunehmen, andererseits, indem sie Menschen den Zugang zu medizinischen Einrichtungen erschwerten.

«Wir haben dieses Muster schon einmal gesehen», sagt Jose Mas, Notfallkoordinator von Ärzte ohne Grenzen in Gaza. «Es geschah mit Einrichtungen wie dem Al-Auda-Spital und dem Indonesischen Spital im nördlichen Gazastreifen, wo sie zunächst aufgefordert wurden, keine Patient:innen mehr aufzunehmen. Ein paar Tage später folgten Angriffe, was praktisch zur Schliessung führte. Die Schließung des Nasser-Spital käme einem Todesurteil für viele Patient:innen gleich, etwa für verletzte Erwachsene und Kinder, schwerkranke Patient:innen und Frauen, die eine geburtshilfliche Notversorgung benötigen.»

Das Nasser-Spital ist ein grosses Allgemeinspital, in das unter normalen Umständen viele Patient:innen überwiesen werden. Es hat Spezialabteilungen, die es sonst nirgendwo im Süden des Gazastreifens gibt, darunter Operationssäle, eine Sauerstoffanlage, Beatmungsgeräte, eine Blutbank und Inkubatoren.

Am 3. Juni war den Teams von Ärzte ohne Grenzen mitgeteilt worden, dass sie für jede Fahrt zum Nasser-Spital eine Genehmigung bräuchten, die mindestens 24 Stunden im Voraus beantragt werden müsse. Dies bedeutete, dass an dem Tag das medizinische Personal, das für die Tagesschicht vorgesehen war, das Spital nicht erreichen konnte. Das Personal der vorangegangenen Nacht musste weiterarbeiten.

Die Ambulanz musste den ganzen Tag geschlossen bleiben. Die Teams in Krankenwägen, die Patient:innen ins Spital brachten, taten dies unter grossem Risiko, da die Gefahr bestand, dass auf sie geschossen wurde, weil sie keine Genehmigung hatten. Die Lage des Spitals an der Frontlinie erschwert sowohl dem Personal als auch den Patient:innen den Zugang zu dem für viele Menschen lebenswichtigen Spital.

Die massive Einschränkung des Zugangs zu Gesundheitsversorgung erfolgt zusätzlich zu militärischen Aktionen und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit. Darüber hinaus gibt es weiterhin Beschränkungen bei der Einfuhr von medizinischen Hilfsgütern, wodurch Ärzte gezwungen sind, Medikamente zur Schmerzlinderung zu rationieren. Durch Evakuierungsanordnungen müssen zudem ganze Spitäler oft kurzfristig geschlossen werden. 

In den vergangenen Monaten haben die medizinischen Teams von Ärzte ohne Grenzen im Nasser-Spital mehr als 500 Patient:innen auf der Entbindungsstation versorgt, darunter auch Frauen, die chirurgisch behandelt werden mussten, sowie mehr als 400 Neugeborene und Kinder. Das medizinische Personal im Spital ist ausserdem extrem ausgelastet mit Patient:innen mit Verbrennungen und schweren Verletzungen.

Die israelischen Behörden müssen das Nasser-Spital schützen und den uneingeschränkten und ungehinderten Zugang für Patient:innen und medizinisches Personal gewährleisten, um weitere Todesfälle zu vermeiden.

Alessia Neuschwander

Public Engagement Media Team, Médecins Sans Frontières (MSF)

 

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