Italien: Ärzte ohne Grenzen unterstützt Überlebende des Schiffsunglücks

28. Februar 2023 - Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) kümmert sich mit psychologischer Hilfe um die Überlebenden des Schiffsunglücks vor der italienischen Küste. Bei dem Unglück waren mindestens 62 Menschen ums Leben gekommen, darunter zwölf Kinder. Der Vorfall am 26. Februar ereignete sich nur wenige hundert Meter von der Küste entfernt, in der Nähe des Ortes Steccato di Cutro in Süditalien.

„Die Überlebenden sind schwer traumatisiert. Alle haben jemanden verloren", sagt Mara Eliana Tunno, Psychologin von Ärzte ohne Grenzen. „Da ist ein 16 Jahre alter Junge aus Afghanistan, der seine Schwester verloren hat. Er hat sich nicht getraut, es seinen Eltern zu sagen. Seine Schwester und er hatten sich auf die Reise begeben, da sie dachten, dass sie keine Zukunft mehr in dem Land hätten.“

Insgesamt waren etwa 180 Menschen, ein grosser Teil stammt aus Afghanistan, Iran und Pakistan, auf einem hölzernen Fischerboot unterwegs, das vier bis fünf Tage zuvor die Türkei verlassen hatte. Berichten zufolge stürzte die gesamte Gruppe etwa 150 Meter vom Ufer entfernt ins Wasser, vermutlich nachdem das Holzboot an der Küste Ostkalabriens bei schlechtem Wetter auf einen Felsen auflief.

Die Leiche eines Menschen wurde aufgrund der starken Strömung Dutzende Kilometer entfernt gefunden. Mindestens 20 Überlebende, darunter eine Person, die intensivmedizinisch versorgt werden muss, wurden in ein nahegelegenes Krankenhaus eingeliefert. Etwa 60 Überlebende wurden in ein Aufnahmezentrum für Asylbewerber in Crotone gebracht.

Die Teams von Ärzte ohne Grenzen haben insgesamt rund 60 Menschen psychologisch betreut und werden diese Hilfe in den nächsten Tagen in Absprache mit den italienischen Behörden fortsetzen. Bei der Tragödie haben mehrere Minderjährige ihre Eltern oder andere Angehörige verloren. Ein 12 Jahre alter Junge verlor seine gesamte Familie durch das Schiffsunglück, ein 17 Jahre alter Junge seine Eltern. Ein anderer Junge berichtete, dass sein 6 Jahre alter Bruder vier Stunden nach dem Schiffbruch an Unterkühlung gestorben ist.

Während die meisten Menschen auf See nach wie vor auf der zentralen Mittelmeerroute zwischen Libyen und Italien sterben, wo das Rettungsschiff Geo Barents von Ärzte ohne Grenzen im Einsatz ist, haben die Teams der Organisation in den vergangenen Monaten steigende Zahlen der Menschen beobachtet, die die gefährliche Überfahrt von der Türkei nach Süditalien unternehmen.

Am 23. Februar wurde die Geo Barents, das Such und Rettungsschiff von Ärzte ohne Grenzen, von der italienischen Regierung zu Unrecht festgesetzt und mit einer Geldstrafe belegt. Auch wenn dieser Schritt direkt gegen Ärzte ohne Grenzen gerichtet ist, werden die Menschen, die über das zentrale Mittelmeer fliehen, den Preis dafür zahlen, da sie ohne Hilfe zurückbleiben werden.

„Dieser tragische Schiffbruch ist eine schmerzliche Erinnerung daran, dass eine restriktive Migrationspolitik verzweifelte Menschen nicht von der Flucht abhalten wird“, sagt Sergio Di Dato, Projektleiter von Ärzte ohne Grenzen. „Die Menschen werden weiterhin ihr Leben riskieren, da sie oft keine andere Möglichkeit haben. Die italienische Regierung und die Europäische Union müssen aufhören, Migration und humanitäre Hilfe zu kriminalisieren. Stattdessen sollten sie sich darauf konzentrieren, angemessene sichere und legale Wege zur Migration sowie verbesserte Mechanismen zur Unterstützung und zum Schutz von Menschen auf der Flucht zu schaffen."

Teams von Ärzte ohne Grenzen in Italien kümmern sich in Italien seit Jahren unter anderem mit psychologischer Unterstützung und der Vermittlung medizinischer Hilfe um Geflüchtete und Migrant:innen.

Seit 2015 engagiert sich die Organisation zudem im Bereich der Such- und Rettungsmassnahmen im Mittelmeer. In den vergangenen Jahren war Ärzte ohne Grenzen auf acht verschiedenen Such- und Rettungsschiffen, alleine oder in Partnerschaft mit anderen Nichtregierungsorganisationen, tätig und hat mehr als 85'000 Menschen gerettet. Seit Beginn der Such- und Rettungsaktionen an Bord der Geo Barents im Mai 2021 hat Ärzte ohne Grenzen 6194 Menschen gerettet (davon 3742 im Jahr 2022), die Leichen von elf Menschen geborgen, die auf See gestorben sind, und die Geburt eines Babys an Bord begleitet.

Interviews (auf Englisch) sind möglich. 

Kontakt
Asmita Schoettli Public Engagement, Médecins Sans Frontières (MSF)
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