Mexiko: Extreme Gewalt gegen Frauen auf Migrationsroute
Ärzte ohne Grenzen ist besorgt über die Vielzahl von Fällen extremer Gewalt, insbesondere sexualisierter Gewalt, gegen Frauen auf der Migrationsroute in Mexiko. Allein zwischen Januar und August 2024 wurden 744 Konsultationen in diesem Zusammenhang von Mitarbeitenden von Ärzte ohne Grenzen durchgeführt. 93 Prozent der Überlebenden sexualisierter Gewalt waren Frauen.
Seit 2022 gibt es einen grösseren Zustrom von Familien mit Frauen, Kindern und Jugendlichen auf der Migrationsroute in die Vereinigten Staaten. Die Teams von Ärzte ohne Grenzen entlang dieser Route registrierten mehr junge Frauen, Schwangere und stillende Frauen, die alleine oder mit Minderjährigen unterwegs waren. In dem Masse, wie sich das demografische Profil der Menschen auf der Flucht verändert hat, hat auch die Gewalt gegen immer mehr Frauen zugenommen.
Um auf die Entwicklung zu reagieren, hat die Ärzte ohne Grenzen die Projektaktivitäten vor Ort angepasst. Die Unterstützung ist interdisziplinär angelegt und umfasst medizinische, psychologische sowie psychiatrische Hilfe. Nebst Engagement in der Sozialarbeit wurde auch die Kooperation mit lokalen Gesundheitszentren verbessert.
Die Herausforderungen bei der Bereitstellung dieser Dienste werden auch durch Faktoren verschärft, mit denen Frauen und Minderjährige konfrontiert sind, wenn sie ihr Recht auf Gesundheit wahrnehmen wollen. Um ihre Weiterreise nicht zu gefährden, wenden sie sich besipielsweise nicht an Sicherheits- oder medizinische Behörden. «Eine grosse Herausforderung bei der Versorgung der Menschen ist die Kriminalisierung der Migration», berichtet Ramón Márquez, Projektkoordinator von Ärzte ohne Grenzen. «Deswegen ist es vielen Menschen nicht möglich, innerhalb von 72 Stunden, nachdem sie sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren, medizinische oder psychologische Hilfe zu erhalten.»
Eine medizinische Untersuchung und Behandlung innerhalb von 72 Stunden nach einem Übergriff ist enorm wichtig, da in diesem Zeitfenster bestimmte Medikamente die Übertragung von Infektionskrankheiten verhindern können. Mit Notfallverhütungsmitteln kann zudem in diesem ersten Zeitraum einer ungewollten Schwangerschaft vorgebeugt werden.
«Gewalt in jeglicher Form hinterlässt Spuren im Langzeitgedächtnis des Körpers. Daher ist die Behandlung der Auswirkungen auf die psychische Gesundheit ebenso wichtig wie die medizinische Versorgung», sagt Márquez.
Ärzte ohne Grenzen fordert die Behörden auf, Massnahmen zur Eindämmung der Gewalt gegen Frauen zu ergreifen und für einen guten Zugang dieser Menschen zu gesundheitlicher Versorgung zu sorgen.
In Zusammenarbeit mit 13 mexikanischen Künstler:innen hat Ärzte ohnen Grenzen den animierten Dokumentar-Kurzfilm «Una y miles» produziert. Dieser zeigt die Gewalt, der die Frauen auf der Migrationsroute ausgesetzt sind, aber auch die Resilienz und Stärke dieser Frauen. Hier geht es zum Kurzfilm wie auch weiteren Informationen zum Thema (auf Spanisch).
Yvonne Eckert