Mittelmeer: Ärzte ohne Grenzen startet Einsatz zur Seenotrettung mit eigenem Schiff
Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) setzt den Einsatz zur Seenotrettung im Mittelmeer fort – diesmal mit einem eigenen Schiff, der „Geo Barents“. Ziel des Einsatzes ist es, das Leben von Geflüchteten, die auf der gefährlichen Überfahrt von Libyen nach Europa in Lebensgefahr geraten, zu retten und sie medizinisch zu versorgen.
Bereits seit 2015 arbeiten MSF-Teams auf Seenotrettungsschiffen. Sie beobachten immer wieder, welche Tragödie sich an der Schwelle zu Europa ereignet. Noch immer ertrinken Tausende im Mittelmeer oder werden gegen ihren Willen nach Libyen zurückgebracht.
„Unsere Rückkehr ins Mittelmeer ist eine direkte Folge der rücksichtslosen europäischen Politik der unterlassenen Hilfeleistung auf See. Diese Politik verurteilt Menschen zum Sterben“, sagt Ellen van der Velden, die Leiterin des Seenotrettungseinsatzes von Ärzte ohne Grenzen in Amsterdam.
Im Jahr 2021 sind bereits mehr als 500 Menschen bei dem Versuch gestorben, das Mittelmeer zu überqueren. Am 22. April kamen bei einem Schiffbruch mindestens 130 Menschen ums Leben.
Diejenigen, die nicht auf dem Meer sterben, laufen Gefahr, durch die von der EU unterstützten libyschen Küstenwache vor der Küste abgefangen und gewaltsam in das Land zurückgebracht zu werden. Die meisten von ihnen werden willkürlich in Haftanstalten untergebracht, in denen sie Misshandlung, sexueller Gewalt, Ausbeutung und sogar dem Tod ausgesetzt sind.
"Im Laufe der Jahre haben sich die europäischen Regierungen immer mehr aus der proaktiven Such- und Rettungsarbeit im zentralen Mittelmeer zurückgezogen. Sie haben es versäumt, Menschen in Gefahr zu helfen und die Arbeit von Organisationen in der Seenotrettung sogar bewusst behindert oder kriminalisiert", kritisiert van der Velden. "Dadurch wurde in Kauf genommen, dass Tausende von Männern, Frauen und Kindern ertrinken."
Ärzte ohne Grenzen fordert ein Ende der EU-Unterstützung der libyschen Küstenwache sowie von der zwangsweisen Rückführung von Menschen nach Libyen. "Wir werden angesichts dieser menschengemachten Katastrophe nicht schweigen", sagt van der Velden. " Die europäischen Mitgliedsstaaten müssen sicherstellen, dass im Mittelmeer wieder proaktive, staatlich geführte Such- und Rettungsmassnahmen in Gang gesetzt werden."
Seit 50 Jahren leistet Ärzte ohne Grenzen humanitäre und medizinische Nothilfe für Menschen in Krisenregionen. Am heutigen Tag fährt Ärzte ohne Grenzen wieder auf See, um Menschenleben zu retten.
Hintergrundinformationen
In den ersten vier Monaten des Jahres 2021 erreichten knapp 13‘000 Menschen die italienische Küste, mindestens 555 Menschen starben, beim Versuch über das gefährliche Mittelmeer nach Europa zu gelangen. In der gleichen Zeit wurden mehr als 7‘000 Geflüchtete, Migranten und Migrantinnen von der durch die EU unterstützten libyschen Küstenwache abgefangen und gewaltsam nach Libyen zurückgebracht.
Seit Ärzte ohne Grenzen 2015 mit der Seenotrettung begonnen hat, waren medizinische Teams von Ärzte ohne Grenzen an Bord von sieben Schiffen tätig. Teilweise hat die medizinische Nothilfeorganisation die Schiffe mit anderen Organisationen gemeinsam betrieben. Insgesamt waren Mitarbeitende von Ärzte ohne Grenzen an 682 Such- und Rettungseinsätzen beteiligt und haben mehr als 81‘000 Menschen versorgt.
Ärzte ohne Grenzen hat die M/V Geo Barents von Uksnøy & Co AS gechartert. Sie wurde 2007 gebaut. Das Schiff segelt unter norwegischer Flagge.
Die Geo Barents wurde entsprechend den Erfordernissen von Such- und Rettungseinsätzen umgebaut. Das Schiff hat eine Länge von 76,95 Metern. Es hat zwei Decks für Überlebende, eines für Männer und eines für Frauen und Kinder. An Bord befindet sich eine Klinik, ein Zimmer für gynäkologische Untersuchungen durch eine Hebamme und ein Beobachtungsraum für alle medizinischen Aktivitäten. Es gibt zwei schnelle Festrumpfschlauchboote (RHIBS), mit denen Rettungseinschätze durchgeführt werden können.