MSF kritisiert Entwurf des EU-Migrationspaktes: „EU meisselt ihre Abschottungspolitik in Stein“
Mittwoch, 23. September 2020 — Zum Entwurf des EU-Asyl- und Migrationspaktes, den die Europäische Kommission heute in Brüssel vorgestellt hat, erklärt Marie von Manteuffel, Expertin für Flucht- und Migrationsfragen bei Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) in Berlin:
„Spätestens seit den Bränden in den Geflüchtetenlagern auf Lesbos und Samos ist klargeworden, dass es in der europäischen Flucht- und Migrationspolitik einen radikalen Kurswechsel braucht.
Der von der EU-Kommission vorgestellte Entwurf des Paktes ist das Gegenteil hiervon. Er ist vielmehr ein klares Signal für ein ‚Weiter so‘ und würde die Abschottungspolitik der Europäischen Union in Stein meisseln.
Auch in Zukunft sollen Schutzsuchende an den Aussengrenzen festgehalten werden, ohne dass wir wissen, ob die Mindeststandards bei der Unterbringung, der Versorgung und beim Schutz dieser Menschen eingehalten werden. Für viele der Schutzsuchenden werden schnellere Verfahren angekündigt. Diese Ankündigung war aber bereits Teil des EU-Türkei-Deals von 2016, der dazu führte, dass Menschen mitunter Jahre in Lagern leben mussten – unter menschenunwürdigen Bedingungen. Auch die Forderungen nach einem staatlichen Seenotrettungsprogramm bleiben ungehört.
Die positiven Ansatzpunkte des Entwurfs, wie die Möglichkeit eines frühzeitigen Transfers von Asylsuchenden in Mitgliedstaaten der EU, in denen etwa bereits ihre Geschwister leben, müssen dringend ausgeweitet und konkretisiert werden.
Überhaupt bleiben viele Fragezeichen. Es ist beispielsweise völlig unklar, was die EU unter ihrem Ziel einer verbesserten Beziehung zu Drittstaaten in Migrationsfragen versteht und welche Rolle die Menschenrechte hierbei spielen.
Alles deutet darauf hin, dass die Abschiebung und Fernhaltung von Geflüchteten und Migranten noch stärker als bisher die EU-Politik bestimmen sollen.“
Interviews mit Marie von Manteuffel sind möglich.