Niger: Gewalt in der Diffa-Region in Niger eskaliert

Konflikte in der Tschadsee-Region haben in den letzten fünf Jahren tausende Menschenleben gefordert und grosse Fluchtbewegungen ausgelöst. Seit Jahresbeginn hat sich die Krise auch in der Diffa-Region, wo laut UNO-Schätzungen 250‘000 Flüchtlinge leben, weiter verschärft.

Innerhalb von vier Tagen wurden in der Region Diffa in Niger mindestens 30 Zivilisten getötet und Dutzende Menschen verwundet. Rund 380 Häuser wurden niedergebrannt oder zerstört. Dazu kamen Entführungen, Attentate und Kreuzfeuer. In Nguigmi und anderen Orten in der Region Diffa haben die jüngsten Zwischenfälle zwischen 23. und 26. März eine Spur der Zerstörung hinterlassen, die Menschen sind traumatisiert. Der sich verschärfende Konflikt in der Tschadsee-Region im Südosten Nigers fordert immer mehr Opfer unter den lokalen Gemeinschaften, Binnenvertriebenen und Flüchtlingen. In letzter Zeit wurden erneut Tausende entwurzelt. Die humanitäre Situation verschlechtert sich weiter, da die Kapazitäten der Hilfsorganisationen den Bedarf der Menschen vor Ort nicht decken können.

Boulama, ein nigerianischer Flüchtling, der in Nguigmi lebt, erholt sich von schrecklichen Verlusten: „Wir hörten Explosionen und dachten, es wäre nichts. Aber dann sah ich eine Person auf mich zukommen, und ich schrie, damit meine Frau unsere Kinder nehmen und fliehen konnte." Leider wurde seine siebenjährige Tochter durch das Feuer getötet. „Unsere Gemeinschaft trauert“, sagt Boulama. „Wir brauchen jede erdenkliche Unterstützung, Nahrung und Unterkunft. Wir haben unsere Kinder und unsere Habseligkeiten verloren. Ich bin Schneider und verdiene meinen Lebensunterhalt durch Nähen. Aber meine Nähmaschine ist verbrannt."

Augenzeugen und lokale Behörden aus Nguigmi berichteten, dass sich am Abend des 26. März an zwei verschiedenen Orten der Stadt zwei Personen mit improvisierten Sprengkörpern in die Luft sprengten. Gleichzeitig sollen mehrere bewaffnete Männer behelfsmässige Unterkünfte und Zelte in Lagern für Binnenvertriebene und Flüchtlinge angezündet haben. Diese mussten mitansehen, wie ihre Häuser und persönlichen Gegenstände zu Asche wurden. Das war nur das letzte einer Reihe von gewalttätigen Ereignissen in der Region, die das Leid der Menschen verschärfen und viele zur Flucht zwingen.

Frühere Angriffe hatten auch Hunderte veranlasst, ihre Dörfer zu verlassen. So haben beispielsweise am 23. März in den Dörfern Nguagam und El Mainari bewaffnete Gruppen 19 Menschen getötet und Gebäude in Brand gesetzt. Eine Moschee, der Markt sowie Häuser und Geschäfte wurden zerstört und Tiere verbrannt. Am selben Tag wurde in Chetimari Gremahartori zwei Fischern die Kehle durchgeschnitten.

Nach Angaben des Amtes für die Koordination humanitärer Angelegenheiten (OCHA) wurden im März in der Region Diffa über 90 Menschen getötet. Ausserdem wurden 15‘000 intern Vertriebene neu registriert. Die meisten leben heute unter prekären Bedingungen.

Nach den jüngsten Anschlägen trafen Teams der internationalen medizinischen Organisation Médecins Sans Frontières/Ärzte ohne Grenzen (MSF) ein, um die Behandlung der Verwundeten im Krankenhaus von Nguigmi zu unterstützen und die am schwersten Verletzten mit drei Krankenwägen und einem weiteren MSF-Fahrzeug in das Regionalkrankenhaus der Stadt Diffa zu evakuieren.

Die MSF-Teams haben Hilfsgüter wie Moskitonetze, Kanister, Küchenutensilien, Decken und Hygieneartikel an 380 Familien (etwa 2‘200 Personen) verteilt. Die Psychologen und Psychologinnen boten sofortige psychologische Unterstützung für Kinder und Erwachsene an und organisierten Einzel- und Gruppensitzungen für fast 400 Personen. Viele hatten mit Depressionen, Schlaflosigkeit und anderen Symptomen zu kämpfen, die mit den traumatischen Erfahrungen zusammenhängen.

Darüber hinaus leisteten die MSF-Teams den von den jüngsten Bränden in Toumour betroffenen Menschen Hilfe, während die Wasser- und Sanitärteams 100 Latrinen für etwa 400 Haushalte in den vom Konflikt betroffenen Gebieten bauen.

„Die Menschen sind widerstandsfähig, aber viele sind am Ende ihrer Kraft: Sie sind mit mehreren Entbehrungen und psychischen Problemen konfrontiert", sagt Souleymane Ba, MSF-Projektkoordinator in Diffa. „Einige flohen aus ihrem Herkunftsland und sind hier nun auch zunehmend gefährdet, andere lebten bis zum Ausbruch des Konflikts friedlich in der Region und leben nun in permanenter Angst. Wiederkehrende Angriffe bewaffneter Gruppen haben die humanitäre Krise im Tschadsee verschärft. Der aktuelle Zustand ist schrecklich."

MSF-Teams beobachten die Situation weiterhin und sind bereit, bei Bedarf zusätzliche Hilfe anzubieten. Auch andere Hilfsorganisationen sind vor Ort. Angesichts des Ausmasses der Krise ist jedoch eine verstärkte Mobilisierung dringend erforderlich, um den Bedarf der Menschen unter anderem an Nahrung, Unterkünften, sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen zu decken.

MSF ist seit 1985 in Niger tätig. Um den Zugang zu kostenloser Gesundheitsversorgung für alle zu gewährleisten, unterstützt MSF drei Spitäler (in Diffa Town, Nguigmi und Mainé Soroa) sowie verschiedene andere Gesundheitseinrichtungen. Die Teams bieten auch mobile Kliniken für gefährdete Menschen an, die keine medizinische Versorgung erreichen können sowie für nomadische Gemeinschaften zwischen Niger und dem nigerianischen Bundesstaat Yobe. Ausserdem weitet MSF seine Hilfe für Opfer von Gewalt und Vertreibung im ganzen Land aus und bietet Menschen auf der Flucht, die oft von Missbrauch und Ausgrenzung bedroht sind, medizinische Behandlungen an. Die Teams reagieren auch auf Krankheitsausbrüche und unterstützen die Gesundheitsbehörden bei der Verbesserung der Immunisierung zum Schutz vor Krankheiten wie Cholera, Masern und Meningitis.

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Lukas Nef Communications Officer, Médecins Sans Frontières/Ärzte ohne Grenzen (MSF)
Lukas Nef Communications Officer, Médecins Sans Frontières/Ärzte ohne Grenzen (MSF)
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MSF ist eine unabhängige medizinische Hilfsorganisation. MSF hilft Menschen in Not, Opfern von Naturkatastrophen sowie von bewaffneten Konflikten - ungeachtet ihrer ethnischen Herkunft, religiösen oder politischen Überzeugung oder ihres Geschlechts.


1999 erhielt MSF den Friedensnobelpreis.

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