Sudan: Gewaltsame Plünderung medizinischer Einrichtungen von Ärzte ohne Grenzen

Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) verurteilt die inakzeptablen Schikanen, gewaltsame Plünderungen und Besetzungen ihrer medizinischen Einrichtungen im Sudan. Mitarbeitende und Patient:innen sind immer wieder bewaffneten Gruppen ausgesetzt, die in die Räumlichkeiten eindringen und diese plündern. Diese Missachtung der humanitären Grundsätze erschwert die dringend benötigte medizinische Hilfe.

Seit Ausbruch der heftigen Kämpfe zwischen dem sudanesischen Militär und den Rapid Support Forces (RSF) am 15. April 2023, versucht die Hilfsorganisation ihre medizinischen Aktivitäten auszubauen. Diese Bemühungen wurden jedoch immer wieder durch Gewalt, aggressive bewaffnete Übergriffe, Plünderungen oder bewaffnete Besetzungen der Räumlichkeiten sowie durch administrative und logistische Probleme behindert. ​

Die Hilfsorganisation appelliert an alle Kriegsparteien, die Sicherheit des medizinischen Personals und der Gesundheitseinrichtungen zu gewährleisten, Krankenwagen und Menschen, die medizinische Hilfe suchen, sicheren Durchgang zu gewähren und humanitären Mitarbeitenden, Organisationen und Hilfsgütern den Zugang und schnelles und ungehindertes Vorwärtskommen zu erleichtern. Am 20. Mai 2023 wurde zwar ein landesweiter Waffenstillstand zwischen den Kriegsparteien verkündet, doch sind die lokalen Waffenruhen in der Vergangenheit nicht immer eingehalten worden. ​

«Wir erleben eine Verletzung der humanitären Grundsätze, und der Spielraum für humanitäre Helfende schrumpft in einem Ausmass, wie ich es selten zuvor erlebt habe», sagt Jean-Nicolas Armstrong Dangelser, MSF-Notfallkoordinator im Sudan. ​

«Nach der Plünderung eines unserer medizinischen Lagerhäuser in Khartum wurden die Kühlschränke ausgesteckt und die Medikamente entwendet. Die gesamte Kühlkette wurde unterbrochen, so dass die Medikamente verdorben sind und nicht mehr für die Behandlung von Menschen verwendet werden können», so Armstrong Dangelser. ​ ​

Seit Beginn des Konflikts gab es mehrere Vorfälle, die Einrichtungen von Ärzte ohne Grenzen im Sudan betrafen:

  • Zwischen dem 16. und 20. Mai 2023 wurde ein MSF-Lagerhaus in Khartum geplündert und besetzt. Medikamente, Treibstoff und Fahrzeuge wurden gestohlen. Weitere Medikamente wurden in der Folge unbrauchbar.
  • Zwischen dem 17. und 23. Mai wurde das Büro von Ärzte ohne Grenzen in Zalingei, Zentraldarfur, geplündert. Das dortige Ausbildungsspitali wurde geplündert, der Generator zerstört und der von Ärzte ohne Grenzen gespendete Treibstoff für den Betrieb von Generatoren und Krankenwagen gestohlen.
  • Am 19. Mai 2023 wurden drei Fahrzeuge von Ärzte ohne Grenzen entwendet, nachdem bewaffnete Männer in ein Büro von Ärzte ohne Grenzen in Khartum eingedrungen waren.
  • Am 18. Mai 2023 wurde eine Unterkunft von Ärzte ohne Grenzen in Nyala, Süd-Darfur, geplündert. Die Hilfsorganisation sah sich bereits zuvor gezwungen, ihre medizinischen Aktivitäten in Süd-Darfur einzustellen, nachdem das MSF-Gelände sowie ein MSF-Lagerhaus in Nyala am 16. April 2023 gewaltsam geplündert und zwei Fahrzeuge gestohlen worden waren. Das MSF-Lagerhaus ist weiterhin von bewaffneten Gruppierungen ​ besetzt. ​
  • Am 11. Mai 2023 wurde ein Büro von Ärzte ohne Grenzen in Khartum geplündert und zwei Fahrzeuge gestohlen.
  • Am 4. Mai 2023 wurde ein Büro von Ärzte ohne Grenzen in El Geneina geplündert. ​
  • Am 26. April 2023 wurde auch das Ausbildungsspital von El Geneina geplündert, in dem Ärzte ohne Grenzen die Abteilungen für Pädiatrie und Ernährungstherapie betreut hatte. Teile des Spitals wurden beschädigt oder zerstört. Das Spital bleibt nach dem Angriff weiterhin geschlossen. ​

Diese Angriffe beschränken sich nicht auf Ärzte ohne Grenzen und sind Teil einer Entwicklung, in der beide Kriegsparteien das Leben von Zivilisten, die Infrastruktur und Gesundheitseinrichtungen missachten. Seit Beginn des Konflikts hat die Weltgesundheitsorganisation WHO 38 Angriffe auf das Gesundheitswesen dokumentiert (am 22. Mai wurden die Zahlen zum letzten Mal aktualisiert). Spitäler und Mitarbeitende des Gesundheitswesens stehen eigentlich unter dem Schutz des humanitären Völkerrechts. Trotzdem gibt es Berichte über die Besetzung von Spitälern durch bewaffnete Gruppen. Diese gefährden Patienten:innen, Mitarbeitende des Gesundheitswesens sowie Einrichtungen. ​

Das alles passiert zu einem Zeitpunkt, zu dem der Konflikt bereits schwerwiegende Auswirkungen auf die Bevölkerung im Sudan hat. Die Menschen in Khartum, Darfur und an anderen Orten, an denen die Kämpfe besonders heftig toben, leiden weiterhin unter der anhaltenden Gewalt. Sie erleiden Schusswunden, werden Opfer von sexueller Gewalt oder durch Messerstiche und Explosionen verletzt. Kämpfe, Luftangriffe und andere Gewalttaten in der Nähe von Gesundheitseinrichtungen können dazu führen, dass sich sowohl Patient:innen als auch Personal zu sehr fürchten nach drausssen zu gehen, und die Gesundheitseinrichtungen daher nicht aufsuchen.

Im ganzen Land herrscht ein Mangel an Nahrungsmitteln und Trinkwasser. Dieser Umstand zwingt die Menschen dazu, ihre Unterkünfte zu verlassen, um sich mit dem Nötigsten versorgen zu können. Der Zugang zu humanitärer Hilfe und medizinischer Versorgung ist lebenswichtig, doch dem sudanesische Gesundheitssystem fehlte es bereits vor dem neuerlichen Konflikt an lebenswichtigen Gütern. Auch administrative und logistische Hürden schränken die medizinischen Aktivitäten von Ärzte ohne Grenzen ein. Der Transport von Hilfsgütern von einem Teil des Landes in einen anderen kann äusserst schwierig sein. Die Hilfsorganisation konnte zwar in den ersten Wochen des Konflikts Notfallteams in den Sudan bringen. Seither ist es aber schwierig, ​ die notwendige Erlaubnis zu erhalten, an Projektstandorte zu reisen oder Visa für zusätzliche Mitarbeitende zu bekommen.

Ärzte ohne Grenzen betreibt Projekte in den sudanesischen Bundesstaaten Al-Jazeera, El-Gedaref, Kassala, Khartum, Rotes Meer, Nord-, West-, Süd- und Zentraldarfur sowie Blauer Nil. Dazu gehören die Behandlung von Kriegsverletzten in Khartum und Nord-Darfur, die Bereitstellung von Gesundheits- sowie von Wasser- und Sanitärdiensten für Geflüchtete und Vertriebene in den Bundesstaaten Al-Gedaref und Al-Jazirah sowie die Bereitstellung von Spenden für medizinische und andere Hilfsgüter für Gesundheitseinrichtungen. Als neutrale, unabhängige und unparteiische medizinische Organisation stellt Ärzte ohne Grenzen den Menschen eine medizinische Versorgung zur Verfügung, die sich allein nach ihren Bedürfnissen richtet, und behandelt diejenigen, die sie am dringendsten benötigen – unabhängig davon, ob sie auf der einen oder der anderen Seite des Konflikts stehen.

 

 

Lukas Nef

Head of Public Engagement, Médecins Sans Frontières (MSF)

 

 

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