Sudan: Zwei Jahre nach Kriegsbeginn ist Handlungsbedarf grösser denn je
Khartum, 14. April 2025. Zwei Jahre nach Kriegsbeginn im Sudan ist kein Ende der humanitären Krise in Sicht. Millionen Menschen sind direkt oder indirekt von den Kämpfen zwischen den Rapid Support Forces (RSF) und den sudanesischen Streitkräften betroffen. Einem Grossteil der Menschen fehlt es an Nahrung und medizinischer Versorgung: 60 Prozent der 50 Millionen Menschen im Land sind nach Angaben der Vereinten Nationen auf humanitäre Hilfe angewiesen.
«Wohin man im Sudan auch schaut, ist die Not riesig. Millionen Menschen erhalten fast keine humanitäre Hilfe. Zudem werden medizinische Einrichtungen und Personal weiterhin angegriffen. Das globale humanitäre System ist nicht in der Lage, auch nur einen Bruchteil dessen zu leisten, was benötigt wird», sagt Claire San Filippo, Notfallkoordinatorin von Ärzte ohne Grenzen.
Ärzte ohne Grenzen appelliert erneut an die Kriegsparteien und ihre Verbündeten, dafür zu sorgen, dass die Zivilbevölkerung, humanitär Helfende und medizinische Teams geschützt werden. Zudem sollen alle Beschränkungen für den Transport von humanitären Hilfsgütern und Mitarbeitenden aufgehoben werden, insbesondere in Anbetracht der bald einsetzenden Regenzeit.
Der Sudan ist derzeit das einzige Land weltweit, in dem an mehreren Orten offiziell eine Hungersnot ausgerufen wurde; erstmals im August 2024 im Vertriebenencamp Samsam, danach in zehn weiteren Gebieten, 17 weitere Regionen könnten bald folgen. Ohne ein sofortiges Eingreifen sind Hunderttausende von Menschenleben in Gefahr.
Im März stellten Teams von Ärzte ohne Grenzen bei einer Impf-Kampagne in Teilen Süd-Darfurs auch Mangelernährung fest. Sieben Prozent der 17'000 Kinder unter zwei Jahren waren schwer mangelernährt, insgesamt war fast jedes dritte untersuchte Kind mangelernährt. Eine ähnliche hohe Rate an Mangelernährung und schwerer akuter Mangelernährung stellten Teams der Organisation auch bei Kindern unter fünf Jahren in Tawila in Nord-Darfur fest.
Mütter und Kinder im Sudan sind derzeit von einer der schlimmsten Gesundheitskrisen weltweit betroffen. In Nyala, der Hauptstadt von Süd-Darfur, waren 26 Prozent der schwangeren und stillenden Frauen, die im Oktober 2024 in zwei von Ärzte ohne Grenzen unterstützten Einrichtungen Hilfe suchten, akut mangelernährt.
Seit April 2023 haben mehr als 1,7 Millionen Menschen medizinische Hilfe in den Spitälern, Gesundheitseinrichtungen und mobilen Kliniken erhalten, die von Ärzte ohne Grenzen unterstützt werden. In den Notaufnahmen haben Teams der Organisation mehr als 320'000 Menschen betreut.
Die schwierigen Lebensbedingungen, die schlechte Ernährungslage und das kriegsbedingte Aussetzen von Impfkampagnen begünstigen den Ausbruch von Infektionskrankheiten wie Masern, Cholera und Diphtherie. Darüber hinaus gibt es unzählige Fälle von sexualisierter Gewalt. Für Überlebende gibt es kaum Möglichkeiten, psychologische Unterstützung zu erhalten.
«Diese sich verschärfenden Krisen spiegeln nicht nur die Brutalität des Konflikts wider, sondern auch die schlimmen Folgen des zusammenbrechenden öffentlichen Gesundheitssystems und der unzureichenden humanitären Hilfe», sagt Marta Cazorla, Notfallkoordinatorin von Ärzte ohne Grenzen.
Zerstörte Gesundheitsinfrastruktur
70 Prozent der Gesundheitseinrichtungen in den Konfliktgebieten sind laut Weltgesundheitsorganisation geschlossen oder kaum noch funktionsfähig. In der Folge haben Millionen Menschen in einer der schlimmsten humanitären Krisen der jüngeren Geschichte keinen Zugang zu lebenswichtiger Versorgung.
Medizinische Einrichtungen bleiben von der Gewalt nicht verschont: Seit Kriegsbeginn hat Ärzte ohne Grenzen über 80 gewaltsame Vorfälle gegen Mitarbeitende sowie Angriffe auf Infrastruktur, Fahrzeuge und Vorräte der Organisation verzeichnet.
Einsetzen der Regenzeit
Mit der bevorstehenden Regenzeit könnte sich die Lage weiter zuspitzen: Versorgungswege könnten unterbrochen und ganze Regionen überflutet werden. Das würde noch mehr Menschen den Zugang zu Hilfe verunmöglichen – ausgerechnet dann, wenn der Mangel an Nahrungsmitteln am grössten ist und die Anzahl Malaria-Erkrankungen ihren Höhepunkt erreicht.
Es muss deshalb schnell gehandelt werden: Mehr Grenzübergänge müssen geöffnet werden, Strassen und Brücken müssen repariert werden und befahrbar bleiben. Besonders dringend ist dies in Darfur, wo Überschwemmungen jedes Jahr Teile der Bevölkerung von der Versorgung abschneiden.
Ärzte ohne Grenzen fordert alle Akteure – einschliesslich der internationalen Geber und Regierungen sowie die UN-Organisationen – auf, Hilfslieferungen zu ermöglichen und sicherzustellen, dass diese auch in die am stärksten betroffenen Regionen gelangen. Ohne ein ernsthaftes Engagement aller Beteiligten können die vielen politischen, finanziellen, logistischen und sicherheitsbezogenen Hindernisse, die Hilfslieferungen derzeit behindern, nicht aus dem Weg geräumt werden.
Yvonne Eckert