Syrien: Tausenden Frauen und Kindern fehlt es im Al-Hol-Camp am Nötigsten

Die meisten der Bewohner des Camps wurden bei den letzten Kämpfen zwischen dem sogenannten Islamischen Staat (IS) und den „Demokratischen Kräften Syriens“ (SDF) im Gouvernement Deir ez-Zor vertrieben und kamen zwischen Dezember 2018 und März dieses Jahres oft in desolatem Zustand in Al-Hol an. Sie hatten Wochen lang in der Nähe der Front überlebt, ohne ausreichend Nahrung und ohne medizinische Versorgung. Dazu kam die beschwerliche Reise unter extremen Wetterbedingungen.

Im Al-Hol-Camp leben nach Behördenangaben nun etwa 73‘000 Menschen, 94 Prozent von ihnen sind Frauen und Kinder, und sie haben von allem zu wenig: Nahrung, Wasser, Unterkünfte, Sanitäranlagen und medizinische Hilfe. Obwohl es eine gewisse Grundversorgung gibt, ist die nicht für alle gleichermassen zugänglich. Im sogenannten Annex-Bereich leben 11‘000 Nicht-Syrer, davon sind 7‘000 Kinder. Sie habe keinen Zugang zu den wenigen, vorhandenen Gesundheitseinrichtungen. Aus Sicherheitsbedenken verhindern die Behörden, dass die Menschen aus diesem Bereich sich im Lager frei bewegen. Viele werdende Mütter habe keine andere Wahl, als in ihren Zelten zu gebären.

„Einige humanitäre Organisationen und Geber bieten in bestimmten Bereichen des Lagers keine Hilfe an, weil sie annehmen, dass die Menschen dort einer bestimmten Gruppierung nahe stehen“, sagt Will Turner, Notfallkoordinator für Syrien. Doch: „Jeder Mensch hat ein Recht auf schnelle medizinische und humanitäre Hilfe unabhängig von Hintergrund, Nationalität, Status und Herkunft.“

Auch in anderen Bereichen des Lagers entspricht die Versorgung mit Wasser und Sanitäranlagen nicht den für eine Krise vorgeschriebenen Minimalstandards. „Wir haben Patienten mit akutem wässrigen Durchfall, welcher auf die schlechte Versorgung mit Wasser und Sanitäranlagen zurückzuführen ist“, sagt Turner. „Mit dem Sommer steigen die Temperaturen. Das bereitet uns Sorgen angesichts der Bedingungen, unter denen die Menschen hier leben. Kein Kind sollte an Dehydrierung oder vermeidbaren Krankheiten sterben, weil es vernachlässigt ist oder keinen Zugang zu grundlegender medizinischer Versorgung hat.“

MSF weitet die Aktivitäten sowohl innerhalb als auch ausserhalb des Lagers aus. Die humanitäre Hilfe im Al-Hol-Camp muss insgesamt verstärkt werden. Hilfsorganisationen müssen zu allen Bereichen des Lagers Zugang erhalten, und die Menschen müssen gerecht und menschlich behandelt werden, so wie es das humanitäre Völkerrecht vorsieht.

MSF hat im Al-Hol-Lager im Januar 2019 mit Hilfsaktivitäten begonnen und medizinische Notbehandlungen für Neuankömmlinge im Aufnahmebereich des Lagers unterstützt und Hilfsgüter verteilt. MSF hat 309 Familienzelte, 251 Hygienepakte, 24‘000 Decken und 1079 Kochsets verteilt.

Aufgrund des Bedarfs hat MSF diese Unterstützung rasch ausgeweitet und im Aufnahmebereich Triage durchgeführt und sich um die Wasserversorgung und sanitären Anlagen gekümmert. Im Februar 2019 hat MSF ein Gesundheitszentrum im Lager erreichtet und bietet dort 24 Stunden am Tag medizinische Notversorgung an. Seit der Eröffnung haben die Teams von MSF 17‘113 Patientinnen und Patienten behandelt, 1‘238 davon waren medizinische Notfälle.

MSF betreibt auch drei ambulante Ernährungszentren für Kinder und Schwangere sowie ein stationäres 23-Betten Ernährungszentrum, in dem schwer unterernährte Patienten 24 Stunden am Tag betreut werden. Seit der Eröffnung ist das stationäre Ernährungszentrum maximal ausgelastet.  MSF errichtet zudem einen Kontrollmechanismus für den Ausbruch potentieller Krankheiten. Seit Anfang April bietet MSF bei nicht fortbewegungsfähigen Patienten Wundbehandlungen an und betreut diese zu Hause. Ausserdem werden Überweisungen in das Tal Tamar Krankenhaus durchgeführt, wo MSF chirurgische Eingriffe vornimmt. Das Team in Tal Tamar hat seit April 75 chirurgische Eingriffe durchgeführt.

MSF betreibt ausserdem im Anbau an das Lager eine mobile Klinik. Das Team hat dort bisher über 3‘500 medizinische Behandlungen durchgeführt.